Vintage boomt – aber wie lange noch?

In Zürich gibt es kaum ein Viertel ohne Vintage-Shops. Vor allem bei Jungen gilt die Mode als profitabel – aber können all diese Läden wirklich überleben?

Der Original-Artikel vom 6. Oktober 2025 im 20 Minuten von Josephine Schertenleib hier

Pam Hügli, Markenexpertin und Dozentin an der Zürcher Hochschule für Wirtschaft (HWZ), sagt: Der Trend kann tatsächlich nachhaltig sein – wenn man ihn auch bewusst lebt.

Darum gehts:

  • Vintage-Mode ist sehr beliebt, besonders bei jungen Menschen.
  • Markenexpertin und Dozentin an der Zürcher Hochschule für Wirtschaft (HWZ) Pam Hügli sieht darin einen nachhaltigen Trend.
  • Sie ermöglicht Individualität und eine Haltung gegen Überkonsum.
  • Besonders junge Unternehmer finden im Vintage-Geschäft grosse Chancen.
    Vintage ist längst mehr als ein Schlagwort in der Modebranche – es ist Teil des Alltags geworden: Wer ein paar Minuten durch Zürich spaziert, entdeckt fast zwangsläufig einen der vielen versteckten Vintage-Concept-Stores: mal mit klassischer Markenkleidung vergangener Jahrzehnte, mal mit sorgfältig kuratierten Einzelstücken, die wie neu wirken.

Auffällig ist dabei, dass viele junge Menschen dem Hype nicht nur folgen, sondern auch selber in das Geschäft einsteigen. Manche verkaufen aktiv auf Plattformen wie Depop oder Marko, andere haben bereits eigene Läden eröffnet oder Vintage-Events organisiert.
Doch mit all den neuen Secondhand-Stores stellt sich die Frage: Wie nachhaltig ist der Verkauf von Vintage-Mode wirklich? Und was passiert, wenn der Trend doch wieder abflachen sollte?

«Ausdruck von Individualität, Stil und Kreativität»
Der Boom rund um Vintage-Mode ist auch der Markenexpertin Pam Hügli nicht entgangen – und für sie ergibt er durchaus Sinn: «Vintage-Mode bedient mehrere Bedürfnisse gleichzeitig: Sie ist Ausdruck von Individualität, Stil und Kreativität – und gleichzeitig eine Möglichkeit, um sich gegen Überkonsum und Umweltverschmutzung zu positionieren», sagt sie zu 20 Minuten.
Genau darin erkennt Hügli auch das Potenzial dieses Trends: «Ein nachhaltiger Trend setzt voraus, dass man sich mit ihm auseinandersetzt – wie es hier der Fall ist.» Es gehe nicht bloss um einen Hype auf Social Media, sondern oft auch um einen bewussteren Umgang mit Material, Umwelt und Ästhetik – kurz: «um Mode mit Haltung».

Unsere Zeit gelte als «Age of Average» oder «Sea of Sameness» – also eine Welt, in der vieles gleich aussieht. Laut Hügli bietet Vintage-Mode die Chance, sich vom Durchschnitt abzuheben.
Schweiz: 40’000 Tonnen Kleider im Abfall

In der Schweiz landen jährlich rund 60’000 Tonnen Altkleider bei Sammelstellen – weitere 40’000 Tonnen im Abfall. Für die Entsorgung sind die Kantone zuständig, die Aufgabe wird aber meist an Gemeinden und von diesen wiederum an private Sammelorganisationen wie Texaid oder Tell-Tex übertragen.
Die Folge: «Ein grosser Teil der gesammelten Altkleider wird ins Ausland verkauft», sagt Mirjam Matti Gähwiler, Mitglied der Geschäftsleitung von Swiss Textiles.

Mit dem 2024 gegründeten Verein Fabric Loop will der Textilverband ein einheitliches Kreislaufsystem etablieren. Geplant ist, Sammlung, Sortierung, Reparatur und Recycling zentral zu koordinieren, damit unter anderem mehr Textilien im Inland bleiben. «Dabei sollen auch Materialien wie Bettwäsche oder Vorhänge oder Berufskleidung berücksichtigt werden», sagt Matti Gähwiler. Die seien bisher nämlich kaum gesammelt worden, eigneten sich aber gut fürs Recycling.

Viele Chancen für junge Unternehmer
Besonders für junge Menschen, die ins Vintage-Business einsteigen, sieht Hügli grosse Möglichkeiten: «Sie bringen frische Perspektiven und den Mut mit, kreative Konzepte auszuprobieren.» Und: Dank ihrer digitalen Kompetenzen seien sie nicht nur auf stationäre Läden angewiesen, sondern könnten auch attraktive Online-Shops aufbauen. «Da Junge ja selbst Teil der Zielgruppe sind, treffen sie auch oft sprachlich und ästhetisch den richtigen Ton, um Vertrauen aufzubauen.»

Im Marketing reiche es nämlich nicht, bloss mit Schlagworten wie «Nachhaltigkeit» oder «Individualität» zu werben. «Erfolgreich sind jene, die diese Werte mit Leben füllen – durch persönliche Motivation, authentisches Storytelling und klare Haltung», erklärt Hügli. Für die Markenexpertin ist also klar: «Auch wenn der Aufbau eines Shops für junge Menschen oft Geduld und die Überwindung finanzieller Hürden verlangt, bieten sich für sie spannende Perspektiven.»

Foto von fatemeh habibyar auf Unsplash

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